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Die Perle des Glücks

 

Von Alfred Könner

 

Sita, eine kleine Inderin, hütete die Hühner im Dorf.

Morgen für Morgen zog sie mit dem Federvieh aufs Feld.

Einmal trocknete die Erde aus, und die Hühner fanden keine Würmer mehr.

Das Mädchen trieb die Hühner in ein Boot und fuhr zu einer Insel vor dem Strand.

Hier war die Erde weich.

Die Hühner zupften viele Würmer heraus und ließen es sich wohl sein.

Sita aber legte sich ins Gras und lauschte dem Murmeln des Meeres und schlief sanft ein.

Plötzlich kam die Flut.

Eine kleine Welle zuerst.

Die brachte viele Fischchen mit.

Die nächste Welle riß das Boot aufs Meer.

Die dritte Welle war am größten.

„Rette euch“, rief sie den Hühnern zu.

Die Hühner mit ihren vollen Bäuchen erhoben sich nur mühsam in die Luft und flatterten zum Festland.

Sie lief zum Strand.

Da trat sie mit dem Zeh in eine Muschel, die augenblicks die Schalen schloß.

Verzweifelt zerrte Sita an der Muschel, aber die war fest angewachsen und ließ sie nicht frei und das Wasser toste und stieg.

Als es ihr schon bis zum Bauch ging beugte sie sich zu der Muschel, „Ich weiß ein Geheimnis“, flüsterte sie.

„Ich spüre an der Zehe, dass eine große Perle in dir steckt.“

„Was du nicht sagst“, sprudelte die Muschel entzückt und klappte die Schalen auf, um selbst nachzusehen.

Da riß das Mädchen die Zehe aus der Muschel und schwamm zum Festland zurück.

Von diesem Tag an machte sie auf Perlenmuscheln Jagd.

Die Perlen verkaufte sie einem Händler, der mit einem Büffelkarren durch die Dörfer zog.

„Perlen haben keinen großen Wert“, jammerte der Händler listig und gab ihr nur eine kleine Münze dafür.

Dann kam der Tag, da fand sie keine Muscheln mehr.

Immer tiefer tauchte sie.

Immer länger blieb sie unten.

Immer weiter schwamm sie hinaus.

Alles umsonst.

Ich muss woanders tauchen, dachte sie und wanderte am Strand entlang.

Sie kam zu einem schwarzen Felsen und klettere hinauf.

Ruhig und klar lag das Wasser unter ihr.

Und da – sah sie viele Muscheln auf dem Grund.

Sita rückte den Muschelkorb zurecht und hob die Arme zum Sprung.

In diesem Augenblick entdeckte sie die dreieckigen Flosse eines Hais, die langsam durch das Wasser zog.

Und noch vier andere Haie lauerten, Sita schluckte.

Es wäre der Tod für mich gewesen schoß es ihr durch den Kopf.

Sie erzählte der Mutter von den Haien in der Bucht.

„WER PERLEN WILL, MUSS SICH INS MEER STÜRZEN“; meinte die Mutter.

„Und das ist zu gefährlich für dich.“

Da ging sie zu den Fischern und bat um Arbeit.

„Bist du auch stark genug?“ fragte ein Fischer und legte ihr einen dicken Fisch in die Arme.

Der Fisch begann zu zappeln und warf das Mädchen in den Sand.

„Morgen vielleicht“, sagte der Fischer, „wenn du stärker als der Fisch bist.“

Da ging Sita wieder zu der Bucht.

Die Haie waren alle noch da.

Es sah aus, als schliefen sie.

Doch Sita wusste: Haie schlafen nie! Sie nahm einen Stein und warf ihn mit aller Kraft weit aufs Meer hinaus.

Augenblicklich jagten die Haie hinterher.

Sita sprang schnell vom Felsen, füllte den Korb mit Muscheln und schwamm zum Strand zurück.

Sie fand nur eine Perle.

Doch die war rosa und glänzte wie eine kleine Sonne.

„Verkaufe die Perle dem König!“ sagte der Fischer.

„Rosa Perlen sind besonders wertvoll. Es sind Perlen des Glücks“

Sita nahm die Perle und machte sich auf den Weg zum Palast.

Gegen Mittag kam sie in die Stadt.

Zum Umsinken müde, setzte sie sich in den Schatten eines Baumes und schlief ein.

Als sie die Augen aufschlug war die Perle weg.

Hastig suchte sie den Boden ab, aber sie fand sie nicht.

Ich habe kein Glück, dachte sie und brach in Tränen aus.

Da sagte eine Stimme hinter ihr: „Hast du die Perle verloren?“

Ein Junge trat heran, die Perle auf der Hand.

„Es ist meine“, sagte Sita.

„Sie muß mir aus der Hand gefallen sein.“

Der Junge rupfte zwei Grashalme ab, verknüpfte sie miteinander und steckte die Perle in den Knoten hinein.

Das Grasband legte er ihr um die Stirn.

„So ist die Perle besser aufgehoben“, sagte er und ging davon.

Sita schlenderte durch die Gassen und kam zum Palast.

Auf einmal hörte sie Musik.

Männer mit langen Trompeten zogen durch das Tor.

Hinter ihnen kam ein festlich geschmückter Elefant, der einen Blumenkranz in seinem Rüssel schwang.

Auf dem Elefanten saß der Junge, der ihr begegnet war.

„Der König ist tot!“ rief der Junge den Leuten zu.

„Wer auch immer uns begegnet, bleibe stehen, damit ihm der Elefant ins Gesicht sehen kann!“

Der König hatte nämlich befohlen, dass der Nachfolger von seinem Lieblingselefanten bestimmt werden sollte.

Da drängten sich die Leute zu dem Elefanten, doch der schritt langsam an allen vorbei.

Plötzlich aber trompetet er laut los und ging auf Sita zu, die erschrocken zurückwich.

Der Elefant blickte sie an.

Dann legte er ihr den Kranz um den Hals.

„Jetzt bist du doppelt geschmückt“, sagte der Junge und lächelte ihr zu.

Sita schluckte. „Manchmal hat man Glück“, hauchte sie und kletterte flink auf den Rücken des Elefanten hinauf – mit der schimmernden Perle auf der Stirn.

 

 

 

 

 

 



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